Nachrichten aus Schweizer archäologischen Forschungen in Griechenland 2025
Eingangsworte des Direktors
Das Jahr 2025 markiert ein besonderes Jubiläum: Die Schweizerische Archäologische Schule in Griechenland feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Dieses symbolische Ereignis bietet Gelegenheit, auf die Geschichte der Institution zurückzublicken.
Aus diesem Anlass organisierte die Schule am 19. November in Lausanne eine öffentliche Konferenz, gefolgt von einem akademischen Workshop an der Universität, bei dem Forschende ihre aktuellen Arbeiten präsentierten und neue Perspektiven für die Archäologieforschung in Griechenland aufzeigten.
Dieses Jahr war von hochrangigen Besuchen geprägt, darunter der des Premierministers Kyriakos Mitsotakis, begleitet von der Kulturministerin Lina Mendoni, sowie der des Bundesrats Beat Jans und des Waadtländer Staatsrats Frédéric Borloz.
Antikythera, Ägina, Eretria und Amarynthos
Auch im vergangenen Jahr setzte die Schule ihre Feldforschungen und wissenschaftlichen Aktivitäten fort. Bei Antikythera schloss das Team unter der Leitung von Lorenz Baumer und Angeliki G. Simosi die letzte Kampagne des fünfjährigen Programms 2021–2025 ab. Während die wissenschaftliche Publikation vorbereitet wird, lädt die Ausstellung „Neuigkeiten aus Antikythera“ in Genf die Öffentlichkeit dazu ein, die jüngsten Funde und spannende neue Erkenntnisse zu entdecken. Das Schiffswrack ist eine Fallstudie zur Erforschung des antiken Mittelmeers.
Auf Ägina setzte das griechisch-schweizerische Team die Ausgrabungen auf dem Gipfel des Hellanion Oros fort und erforschte die Umgebung. Die spektakulären Funde motivieren zur Einreichung eines neuen, grösser angelegten Forschungsprojekts für die kommenden fünf Jahre.
In Euböa ermöglichte die zweite Kampagne zur Untersuchung der Hafenanlagen von Eretria — in Zusammenarbeit mit der Ephorie für Unterwasserarchäologie und der Octopus-Stiftung — die vollständige Rekonstruktion des Hafens.
In Amarynthos wurde mit der letzten Prospektionskampagne die systematische Untersuchung der gesamten Ebene von Eretria abgeschlossen. Diese Daten eröffnen neue Perspektiven für die Geschichte der menschlichen Besiedlung zwischen Eretria und Amarynthos über lange Zeiträume hinweg. Parallel dazu wird die Auswertung des Artemistempels mit einem internationalen Team fortgesetzt. Ein Studientag in Athen brachte über dreissig Forschende zusammen, um den aktuellen Stand der Erkenntnisse zu diskutieren, mit Blick auf die geplante Veröffentlichung im Jahr 2028. Zudem erscheint 2025 ein neuer Band (XXVII) der Eretria-Reihe, verfasst von Francesca Dell’Oro, der sich den beschrifteten Bleitäfelchen aus Styra widmet.
Die wissenschaftliche und administrative Koordination liegt in den Händen des Wissenschaftlichen Sekretärs. Nach zehn Jahren in dieser Funktion übergibt Tobias Krapf die Aufgabe an Tamara Saggini. Tobias, der im Frühjahrssemester in Lausanne unterrichtete und nun einen Lehrauftrag in Basel hat, wird weiterhin an den Projekten in Ägina und Amarynthos mitwirken. Wir danken ihm herzlich für sein Engagement und wünschen ihm sowie Tamara in ihrer neuen Rolle alles Gute.
Der neue Sitz der ESAG in Athen
Die Arbeiten am neuen Sitz der Schule, der Teil des zukünftigen Schweizer Zentrums für Kultur, Wissenschaft und Diplomatie sein wird, verlaufen planmässig. Die Eröffnung soll noch vor dem Sommer 2026 stattfinden. Das Gebäude wird auch die Schweizer Botschaft und die Flux-Stiftung beherbergen und über einen Ausstellungs- und Veranstaltungssaal sowie einen mediterranen Stadtgarten verfügen. Am Fusse der Akropolis gelegen, nur drei Minuten von der Agora und der Hadriansbibliothek entfernt, bietet der neue Sitz den Forschenden einen inspirierenden Ort für Austausch und Zusammenarbeit — und stärkt die Präsenz der ESAG im Bereich der wissenschaftlichen Diplomatie.
Unterwasserforschung im antiken Hafen von Eretria
Die Erforschung der Unterwasserstrukturen im Hafen von Eretria begann in diesem Jahr mit einer zweiten Reinigungs- und Vermessungskampagne. Die Kampagne 2025 diente der Dokumentation des westlichen Mole und der Lokalisierung ihres östlichen Gegenstücks. Gleichzeitig wurde die Tiefenmessung des grossen Hafenbeckens abgeschlossen und ein kleiner westlicher Hafenbereich untersucht. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse zur antiken Küstenlinie und bestätigen, dass beide Hauptmolen auf verfestigten Strandbildungen (Beachrocks) errichtet wurden und eine über 70 ha grosse geschützte Hafenfläche bildeten.
Eretria Harbour ProjectEretria-Amarynthos Survey Projekt (Euböa)
Die Kampagne von 2025 bildete den Abschluss des archäologischen Prospektionsprogramms zwischen Eretria und Amarynthos und ermöglichte die Erstellung einer präzisen archäologischen Karte der Ebene. Auf dem Gipfel des euböischen Olymps wurde ein Höhenkultplatz identifiziert, der von der archaischen bis in die römische Epoche genutzt wurde. In den Vorgebirgen belegen Funde eine sporadische Nutzung von Steinbrüchen sowie gelegentlichen Bergbau. Die diachrone Analyse zeigt eine Besiedlung seit dem Spätneolithikum, eine Verdichtung in der klassischen Zeit, einen deutlichen Rückgang im Hellenismus und eine landschaftliche Neuordnung in der byzantinischen Epoche. Das Projekt zeichnet somit ein differenziertes Bild einer sich wandelnden Landschaft, in der Siedlungswesen, Wirtschaft und Kultpraxis über Jahrtausende eng miteinander verwoben waren.
Eretria-Amarynthos Survey ProjektÄgina, Hellanion Oros
Im Jahr 2025 führte das griechisch-schweizerische Team eine Grabungskampagne auf dem Gipfel des Hellanion Oros auf der Insel Ägina durch, begleitet von zwei Wochen intensiver Prospektion in seiner Umgebung.
Diese Untersuchungen brachten eine Nutzung der Region vom Spätneolithikum bis in die Gegenwart ans Licht, mit einer Mehrheit an Funden aus der mykenischen Zeit.
Zwei neue Befestigungsanlagen wurden auf Vorgebirgen an der Südküste identifiziert, und direkt unterhalb des Gipfels des Hellanion wurde ein bislang unbekannter monumentaler Komplex teilweise freigelegt und topographisch aufgenommen. Eine erste Sondage bestätigte seine Datierung in die mykenische Periode.
Das Schiffwrack von Antikythera
Das Team aus Schweizer und griechischen Archäologen und Tauchern schloss im Mai/Juni die fünfte Unterwasserausgrabungskampagne zum Schiffswrack von Antikythera ab. Im Zentrum stand die Bergung eines 40 × 70 cm grossen Stücks des Schiffsrumpfs aus Planken und Spanten. Die Analyse der Hölzer ergab eine dendrochronologische Datierung um 235 v. Chr. sowie die Verwendung von Ulme, Eiche und Tanne. Das Heben eines weiteren Felsblocks gab Zugang zu den Fragmenten einer männlichen Marmorstatue, die wegen der sehr harten Ablagerungen nur teilweise gehoben werden konnten. Die Kampagne lieferte ausserdem mehrere Amphoren aus Chios, welche die Zusammensetzung der Schiffsladung ergänzen, dazu ein Mortarium aus Terrakotta, das zur Zubereitung von Speisen diente. Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre sind ebenfalls das Thema von zwei Ausstellungen in Piräus und in Genf, die einen Überblick über die Entdeckungen bieten.
Antikythera Projekt
Sylvian Fachard, Direktor von ESAG
Der Platz reicht nicht aus, um allen Institutionen und Personen zu danken, welche die Aktivitäten der Schule unterstützt haben. Besonders zu erwähnen sind das griechische Kulturministerium, die Schweizerische Eidgenossenschaft (SBFI), der Schweizerischer Nationalfonds (SNF), die Stiftung für die Universität Lausanne, der Kanton Waadt, die Evangelos Pistiolis Stiftung, die Stavros Niarchos Stiftung und die philanthropische Stiftung Familie Sandoz. Wir sind auch unseren griechischen Partnerinnen für die fruchtbare Zusammenarbeit zu grossem Dank verpflichtet, insbesondere Angeliki G. Simosi, Stella Chryssoulaki und Eleni Sp. Banou.
Dank
– Kulturministerium, Lina Mendoni
– Antikendirektion im Kulturministerium, Olympia Vikatou (Dir.)
– Departement für ausländische archäologische Schulen, Konstantina Benissi (Dir.), Sophia Spyropoulou
– Ephorie für Altertümer von Euböa, Dimitrios Christodoulou (Dir.), Olga Kyriazi, Stavroula Parissi
– Ephorie für Unterwasser-Altertümer, Dimitris Kourkoumelis (Dir.)
– Ephorie von Piräus und Inseln, Anna Vasiliki Karapanayiotou (Dir.)
– Schweizerische Botschaft in Griechenland, S. E. Stefan Estermann
– Griechische Botschaft in der Schweiz, S. E. Ekaterini Simopoulou
– Gemeindeverwaltung von Eretria, Nikos Gournis
– Regionalverwaltung Zentralgriechenland, regionale Einheit Euböa, Giorgios Kelaïditis
– Amarynthos, Kulturverein, Grigoris Foustalierakis
– Verein Gerani, Kostas Frangoulopoulos
– Universität Lausanne, Direktion, Dekanat der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Juanita Béguin, Antonio Santangel, Dilek Güngör, Coralie Grossrieder, Patrizia Ponti, Antoinette Nadal
Donatoren und Mäzene
– Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung
– Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung
– Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation
– Universität Lausanne und andere Universitäten der Schweiz
– Fondation philanthropique Famille Sandoz, Stavros S. Niarchos Stiftung, Evangelos Pistiolis Stiftung, Gemeinnütziger Fonds des Kantons Waadt, Stiftung für die Universität Lausanne, KIKPE Stiftung, Stiftung Isaac Dreyfus-Bernheim, Ceramica-Stiftung, Société Académique Vaudoise, Théodore Lagonico Stiftung, Afenduli Stiftung