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Montag 5 Juli 2021

ESAG Neuer Direktor

Eine Ernennung und der Duft sensationeller Entdeckungen

Sylvian Fachard, ordentlicher Professor am Institut für Archäologie und Altertumswissenschaften der Universität Lausanne, übernimmt die Leitung der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland (ESAG) am 1. Juli 2021. Seine Tätigkeit wird mit einer verheissungsvollen Grabungskampagne im Heiligtum der Artemis Amarysia beginnen.

Der Amtsantritt des Professors Sylvian Fachard, Experte für das Territorium der antiken Stadt Eretria auf der griechischen Insel Euböa, fällt in einen spannenden Zeitraum. Die Ausgrabung des Heiligtums der Artemis in Amarynthos, deren Beiname Amarysia vom Ortsnamen abgeleitet ist, schüren nämlich hohe Erwartungen. In der Kampagne 2020 wurden zahlreiche aussergewöhnliche archäologische Funde im Bereich des archaischen Tempels gemacht. Diese erst teilweise ausgegrabene Zone hat bereits mehr als 300 Objekte von ausserordentlicher Qualität geliefert, allesamt perfekt erhalten, wie etwa Vasen mit Darstellungen aus der Mythologie, einen Bronzespiegel, mehr als 20 Terrakottafigurinen, aber auch kleine Gegenstände und Schmuckstücke aus Bronze, Elfenbein, Knochen und Fayence. Die Kampagne in diesem Sommer wird der Freilegung der gesamten Zone dienen und verspricht grosse Entdeckungen. Historische Quellen bezeugen schliesslich, dass Artemis einen der wichtigsten Plätze im Pantheon des eretrischen Staates einnahm, während ihr Bruder Apollo als Hauptgottheit in der Stadt Eretria verehrt wurde.

Biographie

Professor Sylvian Fachard wurde im August 2020 zum ordentlichen Professor der Universität Lausanne ernannt. Zuvor war er aufeinanderfolgend wissenschaftlicher Sekretär der ESAG während seiner Dissertation, Forscher am Harvard Center for Hellenic Studies in Washington D.C., Lehrkraft an der Brown Universität in Providence, Empfänger des Ambizione-Stipendiums des SNF an der Universität Genf und Professor an der American School of Classical Studies at Athens.

Neben seiner Tätigkeit als Professor wird er nun auch die Direktion der Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland übernehmen, als Nachfolger des Professors Karl Reber, der im Juni 2021 in Rente gegangen ist.

 

Die Suche nach dem verlorenen Heiligtum der Artemis

Der Name von Amarynthos ist durch historische Quellen mit einem bedeutenden Heiligtum der Artemis in der Nähe von Eretria auf der Insel Euböa verbunden. Die wichtigsten öffentlichen Dokumente, eingraviert in Stelen, waren dort ausgestellt. Die Festlichkeiten, die zu Ehren der Artemis abgehalten wurden, waren die prestigeträchtigsten von Eretria. Sie zogen nicht nur Bürger der vier Städte von Euböa an, sondern auch Griechen aus anderen Regionen.

Die Lagebestimmung des Heiligtums hat die Wissenschaftler für mehr als ein Jahrhundert beschäftigt. Dem Fleiss von Denis Knoepfler, ehemaliger Professor der Universität von Neuchâtel und des Collège de France, der über seine gesamte Karriere den Standort dieser mythischen Stätte gesucht hat, ist es zweifellos zu verdanken, dass die Schweizerische Schule im Jahr 2002 grosse Forschungskampagnen in dem kleinen Dorf Amarynthos, etwa 10 Kilometer von Eretria entfernt, eingeleitet hat. Die Ausgrabung im Jahr 2007 war entscheidend. In einer schmalen Sondierung kamen die massiven Fundamente eines monumentalen Gebäudes zum Vorschein, bedeckt von mehr als zwei Metern Sediment.

Über die nächsten zehn Jahre kaufte die Schweizerische Schule mehrere Grundstücke, um die Grabungsoberfläche zu vergrössern. Jedes Jahr wurden während der Grabungen in Zusammenarbeit mit der Ephorie der Altertümer von Euböa, dem griechischen Pendant zu unserer Kantonsarchäologie, mehrere Monumente entdeckt. Ein langer Portikus bestätigte die Präsenz eines öffentlichen Komplexes von grösster Wichtigkeit, von dem man hoffen konnte, dass es sich um das Heiligtum der Artemis Amarysia handelte. Die nötigen Beweise für eine unumstrittene Identifizierung fehlten noch…

2017 wurde die Geduld der Archäologen endlich belohnt. Sie fanden einen gestempelten Ziegel mit dem Namen der Göttin sowie Statuenbasen mit Votivinschriften. Diese Indizien haben die letzten Zweifel über die Identifizierung der Überreste ausgeräumt. Das Heiligtum der Artemis Amarysia war offiziell entdeckt.

 

Ausgrabung des Heiligtums der Artemis Amarysia auf Amarynthos

Ausgrabungen auf dem neuesten Stand der Technologie

Die grössten griechischen Heiligtümer wurden im 19. und frühen 20. Jahrhundert mit den Mitteln jener Zeit ausgegraben. Das Heiligtum der Artemis Amarysia ist somit ein Ausnahmefall, da für die ausgiebigen Ausgrabungen modernste Technologien genutzt werden. Es ist ein einzigartiges Studienobjekt, um die Entwicklung von Heiligtümern in den Anfängen des klassischen Griechenlands zu erforschen. In den vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) unterstützten Grabungskampagnen werden bis 2023 neue Daten gesammelt, die zusammen mit den in den letzten Dekaden gewonnenen Kenntnissen die seltene Gelegenheit bieten, die Beziehungen zwischen dem urbanen Zentrum einer griechischen Stadt und einem wichtigen extraurbanen religiösen Pol zu erforschen.

Das Forschungsprojekt auf Amarynthos wird gemeinsam von Prof. Sylvian Fachard (ESAG-UNIL) und Dr. Angeliki Simosi (Ephorie für Altertümer Euböas) geleitet.

Wenn Archäologie und Technologie zusammenspielen

Moderne Archäologen müssen ihren Erfindungsgeist unter Beweis stellen, um die antiken Überreste bestmöglich zu untersuchen. Zu den Werkzeugen von früher, wie Schaufeln, Kellen und Pinsel, sind hochmoderne Technologien hinzugekommen, wie geophysikalische Prospektion, Fernerkundung, Palynologie, Mikromorphologie, Mobile digitale Dokumentationstechnik, geographische Informationssysteme, Photogrammetrie

Die Schweizerische Archäologische Schule in Griechenland, eine lange Geschichte

Seit 1964 untersucht eine archäologische Mission die Überreste der antiken Stadt von Eretria auf der Insel von Euböa. Sie wurde 1975 zur Schweizerischen Archäologischen Schule in Griechenland (ESAG) und ist die einzige permanente archäologische Mission der Schweiz ausserhalb der Landesgrenzen. Ihre wissenschaftlichen Aktivitäten finden grösstenteils im Bereich der antiken Stadt Eretria und ihres Territoriums statt.

Als interuniversitäre Ausbildungs- und Forschungsstätte unterstützt die ESAG den akademischen Nachwuchs. Über dreissig Master- und Doktorarbeiten wurden in den letzten zehn Jahren verteidigt. Die Studenten der Schweizer Universitäten haben jedes Jahr die Möglichkeit, an den Feld- und Museumsaktivitäten teilzunehmen.

ESAG homepage

Kontakte

Sylvian Fachard
Professor für Klassische Archäologie
Universität Lausanne
Schweiz
+41 079 342 45 86
sylvian.fachard@unil.ch

 

Pressemitteilung, 5. Juli 2021 (De)